Rechtschutzsaal
Der Rechtsschutzsaal als ältestes deutsches Gewerkschaftsgebäude darf als Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung angesehen werden.
In den 1890er Jahren kämpften die saarländischen Bergleute unter Führung von Nikolaus Warken (gen. Eckstein) um gerechtere Lebens- und Arbeitsverhältnisse. Versammlungen unter freiem Himmel wurden von der Obrigkeit verboten und einen großen Raum in dem man sich versammeln konnte gab es noch nicht.
Nikolaus Warken (26. Dezember 1851 in Hasborn/ 24. August 1920 in Hasborn) ein Bauernsohn aus Hasborn, den der Bergbau an die Saar verschlug.
Er demonstriete gegen 12 Stunden Schichten, schlechte Bezahlung und gegen kurupte Bergwerksbeamte.
Auslöser für den Streik im Saarrevier ab dem 23. Mai 1889, war der Arbeitskampf im Ruhrgebiet, wo am 10. Mai 81.000 Bergarbeiter, 77 Prozent der Belegschaft, streikten. Am 14. Mai empfing Kaiser Wilhelm II. eine Delegation der Streikenden. Die Nachrichten vom Streik an der Ruhr trafen an der Saar auf eine Situation, wo bei seit Herbst 1887 anziehender Konjunktur die Löhne stagnierten, die Lebensmittelpreise stiegen, die Arbeitszeiten ausgeweitet wurden und der Beschwerdeweg von der Bergbauverwaltung zunehmend beschnitten wurde. Eine gewerkschaftliche Organisation der Bergleute an der Saar gab es nicht, Sozialdemokraten waren im Saargebiet kaum aktiv.
Warken führte die Versammlung (Bildstocker Protokoll) am 15. Mai mit 3.000 Bergleuten zu den Verhandlungen mit der preußischen Bergwerksdirektion in Bildstock, an. Es wurden ein Mindestverdienst von 4 Mark pro Tag, ein acht Stunden Tag und der Wegfall der Einperrung (Einsperrungstüren, die die Gruben Ein- und Ausgänge verschlossen. So gab es bei Schlagwetter kein Entkommen) gefordert.
Das Protokoll sollte „den vorschriftsmäßigen Gang durchlaufend bis zur Majestät des Kaisers“; bei Ablehnung der Forderungen wollten die Bergleute kollektiv kündigen.
Es kam zum Ausstand als diese keine Kompromissbereitschaft zeigten. Die Arbeiter ließen sich auf keine weiteren Gespräche mehr ein, es wurde gestreikt.
Eine zweite Versammlung am 22. Mai mit 15.000 Teilnehmern beschloss den Streik; Versammlungsleiter Warken hatte erfolglos eine verlängerte Bedenkzeit vorgeschlagen. Unter der Parole „Einer für alle, alle für einen“ streikten ab dem 23. Mai 11.500 Bergleute. Warken gehörte dem Streikkomitee und einer dreiköpfigen Delegation an, die sich auf dem Weg nach Berlin befand, als Kaiser Wilhelm II. es ablehnte, die Delegierten zu empfangen. Dies trug mit zum Streikende am 3. Juni bei. Warken wurde am 15. Juni „wegen hervorragender agitatorischer Thätigkeit“ gekündigt.
Der Streik hatte die Gründung des Rechtschutzvereines in Bildstock zur Folge. Noch gab es den Segen und die Billigung der katholische Kirche, dies sollte sich im Lauf der Geschichte noch ändern. Die erste gewekschaftliche Vertretung zur Wahrung der Arbeiterinteressen im Bergbau des Saarlandes war geboren. Trotz Anfeindungen durch Bürgermeister und Landräte traten über 20000 Bergleute dem neuen Verein bei.
Zum Eintritt brachte jedes neue Mitglied 1,- Mark und einen Ziegelstein mit. Von Mai 1891 bis September 1892 wurde der Rechtschutzsaal erbaut.
Am 28. Juli gründete sich der „Rechtsschutzverein für die bergmännische Bevölkerung des Oberbergamtsbezirks Bonn“; Warken wurde erster Vorsitzender. Laut Warken war „der Streik, der Schöpfer der Organisation gewesen“;,das Statut wurde auf Anraten des katholischen Publizisten Friedrich Dasbach wörtlich vom Dortmunder Rechtsschutzverein übernommen, der 1883 von Johannes Fusangel mitbegründet worden war.
Dem Rechtsschutzverein traten bis zum 1. August 1891
20.139 Bergleute bei, ein Organisationsgrad von 68 Prozent. Im Oktober bereiste Warken das Ruhrgebiet, Sachsen und Schlesien, um Kontakte zu dortigen Organisationen der Bergleute aufzunehmen.
Im Dezember wurde Warken zusammen mit drei weiteren Funktionären des Rechtsschutzvereins zu sechs Monaten Haft verurteilt. Anlass war eine Äußerung Warkens in einem Wirtshaus in angetrunkenem Zustand, man könne beim nächsten Streik gegen die Kohlenvorräte mit Petroleum vorgehen. Der Staatsanwalt hielt Warken vor, er würde den Stand der Bergleute demoralisieren. Im Prozess machte Warken auf ein im Saarrevier weit verbreitetes Bestechungssystem aufmerksam, an dem er selbst beteiligt war. Das System verschaffte den Steigern zusätzliche Einnahmen und nahm teilweise den Konkurrenzdruck von den Bergleuten. Gegen Geld oder Naturalien sorgten Steiger dafür, dass Bergarbeiter Gedinge unter günstigeren Abbaubedingungen ersteigern konnten.
Ein zweiter Streik im Dezember 1889 hatte teilweise Erfolg, da Berghauptmann Hermann Brassert die geforderte Wiedereinstellung der Funktionäre des Rechtsschutzvereins gegen den Willen der Bergwerksdirektion im Saarrevier durchsetzte. Unter den Bergarbeitern stieg zugleich das Vertrauen in Kaiser Wilhelm II., der im Februar 1890 ankündigte, die staatlichen Bergwerke „bezüglich Fürsorge für die Arbeiter zu Musteranstalten“ entwickeln zu wollen. Warken erschien vielen Bergleuten als „getreuer Paladin“ des „fürsorglichen Herrschers“.
Bei der Reichstagswahl am 20. Februar 1890 trat Warken als „unabhängiger Arbeiterkandidat“ im Wahlkreis Saarbrücken an. Er erhielt 6.823 Stimmen, ein Anteil von 33,8 Prozent; in mehreren Bergbaugemeinden entschied sich die Mehrheit der Wähler für ihn. Das Mandat behielt der nationalliberale Gustav Pfaehler, ein hoher Beamter der Bergverwaltung, der im Wahlkampf behauptete, Warken sei „nicht nur Sozialdemokrat, sondern Anarchist“.
Delegierte des Rechtsschutzvereins beteiligten sich im September 1890 am Deutschen Bergarbeitertag in Halle (Saale), auf dem der Verband deutscher Bergleute gegründet wurde. Im April 1891 nahmen Warken und weitere Delegierte am internationalen Bergarbeiterkongress in Paris teil. Dies stieß bei vielen Arbeitern im Saarrevier vor dem Hintergrund des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 auf Unverständnis. Anfang April 1891 zog Warken in ein Haus in Bildstock (Illinger Straße), das mit Spendengeldern der Vereinsmitglieder gekauft worden war. Die Sozialdemokraten distanzierten sich von Warken
Natürlich blieb Gegenwind nicht aus und die Gegner ließen nicht lange auf sich warten. Der Reichstag in Berlin befasste sich mit den saarländischen Bergleuten und Freiherr von Stumm fürhrte starke Worte und forderte hohe Strafen gegen die Bergleute. Die Obrigkeit und hier besonders die Bergwerksdirektion fühlte sich zunehmend in ihren Besitzständen bedroht.
Die Presse trug immer stärker dazu bei den Ruf der Aktivisten zu kimminalisieren, letztlich entzog auch die Kirche ihre Unterstützung.
1891 nachem die Preise für Kohle stark zu fallen drohten und die Bergleute immer weniger verdienten, riefen die Kumpel zu einem neuen Streik auf. Warken warnte vor einem Streik " ein Streik sollte wie ein Dieb in der Nacht hereinbrechen und sich nicht langsam aufbauen."
Der Streik wurde wegen zu geringer Beteiligung abgesagt.
1892 verschlechterte sich die Situation erneut es wurden mehr Arbeitstunden bei sinkenden Löhnen von der Bergwerksdirektion beschlossen.
Erneut warnte Warken davor da die Streikkasse einen solchen Arbeitskampf nicht auffangen konnte.
Dennoch wurde gestreikt!
Das Unglück nahm seinen Lauf, drei Wochen hielten sie durch, dann mussten sie aufgeben. Die Berkwerksdirektion sperrte nun ihrerseits die Arbeiter aus. 500 Kumpel wurde dauerhaft entlassen, 2000 Bergleute freigestellt. Es trieb die Menschen in der wirtschaftlichen Ruin.
Wer wieder einfahren wollte, musste jetzt eine schriftliche Austrittserklärung des Rechtschutzvereines bringen. Damit war die erste Arbeitnehmervereinigung Geschichte.
Auch Nikolaus Warken war unter den 500 für immer Entlassenen. Warken trat am am 30. Juni 1893 aus dem Verein aus. Wenig später stellte der Verein seine Tätigkeiten ein und beschränkte sich bis zu seiner Auflösung im August 1893 nur noch auf die Verwaltung des Vereinsvermögens.
Am 17. Juli1893 zog Warken nach Hasborn zurück. Er hat sich bis zu seinem Tod 1920 nicht mehr von den Folgen dieses Arbeitskampfes und dem Scheitern seiner Bewegung erholt. Er schlug sich als Kleinbauer (Betrieb des Vaters) und Hausierer (Fotographien/ Bilderrahmen) durch.
Ihr Kampf trug erst späte Früchte.
An die stürmischen Jahre erinnert heute in Bildstock (Hofstraße 49) der große Rechtsschutzsaal, der in seiner ursprünglichen Gestalt einstmals auf 490 Quadratmetern etwa 980 Personen Raum bot. In diesem Saalbau sollten jene Veranstaltungen stattfinden, die "unter freiem Himmel" von der Obrigkeit verboten wurden. Der Entwurf zu diesem Versammlungsraum stammt von dem Saarbrücker Architekten Heinrich Güth, die Grundsteinlegung fand im Mai 1891 statt. Im Januar 1893 ging der Verein in Konkurs, noch im Dezember des gleichen Jahres wurde das Objekt von einer Neunkircher Brauerei erworben. Im Januar 1895 wurde der preußische Bergfiskus Eigentümer des Hauses. In den siebziger Jahren wohnten vor allem Bergleute in den Wohnungen über den Säälen, auch ein Kindergarten war hier ansässig und 1974 geschlossen. Da der Neubau des Kindergartens in der Schachtstraße nun fertiggestellt war. Auch eine Gaststätte gab es bis in die 80er Jahre. Später wurde das Objekt aufwändig saniert und einer Stiftung übertragen. Diese widmet sich heute dem Erhalt und der Verwaltung des Gebäudes, das sich als vielfältig nutzbare Veranstaltungsstätte anbietet. So können für Feierlichkeiten, Seminare u.ä. die verschiedenen Räumlichkeiten angemietet werden. Eine Beschallungsanlage sowie eine Bühne und eine Leinwand sind bereits vorhanden. In den Sommermonaten bietet die Stiftung Rechtsschutzsaal in Zusammenarbeit mit dem Kulturforum des Regionalverbandes Saarbrücken im gemütlichen Biergarten LiveKonzerte an.